Zwischen Schlaflosigkeit und Herzbelastung: Depressionen und ihre nächtlichen Folgen
Schlafstörungen gehören zu den Kernsymptomen der Depression – und sie können weitreichende gesundheitliche Konsequenzen haben. Eine großangelegte Analyse von US-Daten zeigt, dass Betroffene mit gestörtem Schlaf-Wach-Rhythmus nicht nur schwerer mit ihrer Erkrankung umgehen, sondern auch ein deutlich höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben (DOI: 10.3389/fpsyt.2024.1417179). Zugleich stellt sich die Frage, wie Medikamente, pflanzliche Präparate oder Verhaltenstherapien diesen Teufelskreis durchbrechen können.
Depression und Herzgesundheit – eine gefährliche Verbindung
Seit Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Depressionen und kardiovaskuläre Erkrankungen epidemiologisch verknüpft sind. Eine repräsentative Auswertung der NHANES-Gesundheitsbefragung mit Daten von 29.831 Erwachsenen ab 20 Jahren verdeutlichte diesen Zusammenhang: Menschen mit Depression hatten im Vergleich zu nicht Erkrankten ein mehr als doppelt so hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Odds Ratio 2,21; 95% KI: 1,96–2,49). Aber auch Schlafstörungen allein erwiesen sich als relevanter Risikofaktor (OR 1,74; 95% KI: 1,60–1,90). Selbst nach Korrektur von Störfaktoren blieb die Assoziation bestehen. Damit wird eines klar: Eine Verbesserung des Nachtschlafs könnte ein wichtiger Baustein für die Prävention körperlicher Komplikationen bei Depression sein.
Nächte ohne Ruhe: Wenn der Schlaf nicht erholsam ist
Betroffene von Depressionen berichten häufig über Probleme beim Einschlafen oder Durchschlafen. Hinzu kommt eine Neigung, länger im Bett zu bleiben oder tagsüber zu schlafen, was die Schlafarchitektur zusätzlich verschlechtert. Es entsteht ein Teufelskreis: zu frühes Zubettgehen, lange Bettzeiten und Tagesmüdigkeit verstärken die Startschwierigkeiten in der Nacht. Bis Antidepressiva ihre Wirkung entfalten und stabilisierend auf den Schlaf wirken, vergehen in der Regel etwa drei Wochen.
Wirkung von Antidepressiva auf den Schlaf
Nicht jedes Antidepressivum beeinflusst den Schlaf gleich. Manche Wirkstoffe fördern die Nachtruhe, andere wirken störend. Trizyklische Substanzen wie Trimipramin, Amitriptylin oder Doxepin können durch ihr breites Wirkprofil den Schlaf fördern. Umgekehrt kann Bupropion die Schlafkontinuität negativ beeinflussen. Auch bei selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) treten zu Beginn der Therapie nicht selten Ein- und Durchschlafprobleme sowie eine verlängerte Einschlaflatenz auf. Diese Unterschiede sollten in der individuellen Arzneimittelauswahl berücksichtigt werden.
Johanniskraut als pflanzliche Option
Auch pflanzliche Präparate rücken zunehmend in den Fokus. Die nationale VersorgungsLeitlinie empfiehlt hochdosierte Johanniskrautextrakte bei leichten bis mittelgradigen Depressionen. Voraussetzung ist jedoch, dass das Präparat als Arzneimittel für diesen Anwendungsbereich zugelassen ist. Eine Analyse zweier placebokontrollierter Studien mit 398 Teilnehmer:innen zeigte, dass Johanniskraut nicht nur depressive Symptome signifikant linderte (gemessen am HAMD-17-Score), sondern zusätzlich den Tiefschlaf verbesserte. Auffällig war dabei, dass die positive Wirkung auf den Schlaf nicht nur ein nachgeordneter Effekt der allgemeinen Besserung war, sondern parallel zu den Veränderungen der Depressionssymptome auftrat.
Verhaltenstherapie und Schlafhygiene als Schlüssel
Pharmakologische Wege sind jedoch nicht die einzige Option. Die S3-Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“ empfiehlt als Maßnahme der ersten Wahl eine kognitive Verhaltenstherapie. Dabei können Schlafrestriktion, Stimuluskontrolle und Maßnahmen der Schlafhygiene entscheidend sein. Besonders wirksam ist die Begrenzung überlanger Bettzeiten, da diese paradoxerweise die Wachheit eher fördern. Auch Strategien wie kontrollierter Schlafentzug werden als hilfreiche Interventionen beschrieben, um die Schlafneigung gezielt zu erhöhen.
Fazit: Schlaf als therapeutisches Ziel
Schlafstörungen sind mehr als nur ein Begleitsymptom der Depression – sie prägen den Krankheitsverlauf, beeinflussen die Lebensqualität und wirken sich auf das Risiko für schwere körperliche Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall aus. Damit wird die Auswahl des richtigen Antidepressivums ebenso bedeutsam wie verhaltenstherapeutische Maßnahmen oder pflanzliche Ergänzungen. Die Integration von Schlaf als klar benanntes Therapie- und Diagnoseziel in der Depressionsbehandlung ist daher unverzichtbar.
Auch interessant:
Depressiv bedingte Schlafstörungen: Wirkstoffe im Vergleich (https://www.springermedizin.de/depressiv-bedingte-schlafstoerungen--wirkstoffe-im-vergleich/19112640)
Quellen:
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): S3-Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“. 2024. Registernummer: 063-003. Version 2.0. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/063-003 (abgerufen am 29.08.2025).
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression. 2022. Registernummer: nvl-005. Version 3.2. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/nvl-005 (abgerufen am 25.09.2025).
Springer Medizin: Alles schläft, einsam wacht - Depressionen & Schlafstörungen. 2025. https://www.springermedizin.de/alles-schlaeft-einsam-wacht-depressionen-schlafstoerungen/50689154 (abgerufen am 29.09.2025).
Chen, F. et al. (2024): The mediating role of sleep disturbance in the relationship between depression and cardiovascular disease. Front. Psychiatry. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2024.1417179
Volz, H.-P. et al. (2018): Wirksamkeit des Johanniskrautextrakts STW3-VI – Eine Reanalyse gepoolter Daten zweier Placebo-kontrollierter Studien. Psychopharmakotherapie, 25:170–176. https://www.ppt-online.de/heftarchiv/2018/04/wirksamkeit-des-johanniskrautextrakts-stw3-vi-eine-reanalyse-gepoolter-daten-zweier-placebo-kontrollierter-studien.html
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