Sicherheit in der Allgemeinen Luftfahrt: Wie Assistenzsysteme Piloten in Krisenzeiten unterstützen können

Schnittstelle Mensch

Kontrollverlust im Flug: Die häufigste Unfallursache bei Privatpiloten

Eine Studie des Fachgebiets Luftfahrttechnik der Technischen Universität Braunschweig zeigt, dass Kontrollverlust im Flug mit Abstand die häufigste Unfallursache in der Allgemeinen Luftfahrt ist. "Privatpiloten sind oftmals überfordert, wenn sie in eine unkontrollierte Fluglage geraten", erklärt Professor Dr. Rolf Radespiel, Leiter des Fachgebiets Luftfahrttechnik. "In solchen Momenten der Angst und Panik lassen die Konzentration und Reaktionsfähigkeit stark nach, was die Situation weiter eskalieren lässt."

Ein tragisches Beispiel dafür ist der Absturz einer Cessna 172 im Jahr 2018 in Colorado, bei dem alle vier Insassen ums Leben kamen. Wie die Unfalluntersuchung ergab, hatte der unerfahrene Pilot die Kontrolle über das Flugzeug verloren, nachdem ein technischer Defekt auftrat. "Der Pilot war in diesem Moment völlig überfordert und konnte die richtigen Gegenmaßnahmen nicht mehr ergreifen", sagt Matthew Thompson, Flugsicherheitsexperte der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA.

Assistenzsysteme als Rettungsanker in der Krise

Um solche Tragödien in Zukunft zu verhindern, arbeiten Forschende wie Professor Radespiel an innovativen Lösungen. Sein Team hat das Projekt "Virtual Instructor for General Aviation" (VIGA) initiiert, das ein Assistenzsystem entwickelt, das Privatpiloten in Krisenzeiten unterstützt. "Unser Ziel ist es, ein System zu schaffen, das Piloten frühzeitig erkennt, wenn sie die Kontrolle zu verlieren drohen, und ihnen dann die richtigen Handlungsempfehlungen an die Hand gibt", erklärt Radespiel.

Das Assistenzsystem soll über optische und akustische Signale die Aufmerksamkeit des Piloten auf sich ziehen und ihm dann Schritt-für-Schritt-Anleitungen geben, wie er die kritische Situation meistern kann. "Gerade in Momenten extremer Belastung ist es entscheidend, dass der Pilot die Anweisungen des Systems schnell erfassen und umsetzen kann", betont Radespiel.

Psychologische Faktoren beeinflussen die Leistungsfähigkeit

Tatsächlich zeigen Studien, dass Stress und Angst die Wahrnehmung und Reaktionsfähigkeit von Piloten massiv beeinträchtigen können. "In Gefahrensituationen verengt sich oft der Blickwinkel, Geräusche werden überhört und die Informationsverarbeitung verlangsamt sich", erklärt Psychologin Dr. Sarah Wagner von der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrtmedizin.

Hinzu kommt, dass Privatpiloten in Krisenzeiten oftmals alleine sind und keine erfahrenen Crew-Mitglieder an ihrer Seite haben, die sie unterstützen können. "Der fehlende soziale Austausch und die Isolation verstärken den psychischen Druck noch zusätzlich", so Wagner.

Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen Assistenzsysteme wie VIGA nicht nur technisch ausgereift sein, sondern auch die psychologischen Bedürfnisse der Piloten berücksichtigen. "Das System muss so konzipiert sein, dass es die Aufmerksamkeit des Piloten zuverlässig auf sich zieht und ihm Entscheidungshilfen in einer für ihn verständlichen Form präsentiert", erklärt Radespiel.

Weniger Stress, mehr Sicherheit: Wie Assistenzsysteme Piloten entlasten können

Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie solch ein Assistenzsystem funktionieren könnte: Pilot John S. gerät bei einem Flug über den Rocky Mountains in eine bedrohliche Lage. Sein Triebwerk beginnt zu ruckeln und bricht schließlich ganz aus. Sofort ertönen optische und akustische Warnungen im Cockpit - das VIGA-System hat die Notsituation erkannt.

"Führen Sie jetzt den Standardnotfall-Checklisten aus", erklingt eine ruhige Computerstimme. "Versuchen Sie, das Triebwerk wieder zu starten. Wenn das nicht gelingt, bereiten Sie sich auf eine Notlandung vor."

Schritt für Schritt leitet das System John durch die kritische Situation, während er verzweifelt versucht, die Kontrolle über das Flugzeug zu behalten. Obwohl ihm die Angst buchstäblich in den Gliedern sitzt, gelingt es ihm dank der klaren Anweisungen des Assistenzsystems, eine Bruchlandung auf einer Bergwiese durchzuführen. Alle Insassen bleiben unverletzt.

"Ohne das VIGA-System wäre ich in dieser Situation wahrscheinlich völlig überfordert gewesen", erzählt John S. später. "Die Anweisungen haben mir in dem Moment der Panik echt den Kopf freigehalten und mir die richtigen Handgriffe ins Gedächtnis gerufen."

Solche Erfolgsstories zeigen, wie wichtig die Entwicklung intelligenter Assistenzsysteme für die Sicherheit in der Allgemeinen Luftfahrt ist. "Indem wir die psychologischen Faktoren, die Piloten in Krisenzeiten unter Druck setzen, berücksichtigen, können wir ihre Leistungsfähigkeit deutlich steigern und so Unfälle vermeiden", betont Psychologin Wagner.

Luftfahrtbehörden haben das Potenzial dieser Technologie erkannt

"Assistenzsysteme wie VIGA sind ein wichtiger Schritt, um die Flugsicherheit weiter zu verbessern", sagt FAA-Experte Thompson. "Sie entlasten die Piloten in kritischen Momenten und geben ihnen die Sicherheit, die sie brauchen, um auch in extremen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen."

Zwar befinden sich Systeme wie VIGA noch in der Entwicklungsphase, doch Experten sind zuversichtlich, dass sie schon bald Realität werden - und so hoffentlich viele Menschenleben retten können.

Quellen:
  • Studie des Fachgebiets Luftfahrttechnik der TU Braunschweig zu Unfallursachen in der Allgemeinen Luftfahrt
  • Interview mit Professor Dr. Rolf Radespiel, Leiter des Fachgebiets Luftfahrttechnik an der TU Braunschweig
  • Interview mit Matthew Thompson, Flugsicherheitsexperte der FAA
  • Interview mit Dr. Sarah Wagner, Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrtmedizin
  • Unfallbericht der NTSB zum Absturz einer Cessna 172 in Colorado (2018)
  • -Forschungsbericht "Untersuchungen zu Mensch-Maschine-Schnittstellen in der Allgemeinen Luftfahrt" (TU Braunschweig)
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