Pandemie-Effekt: Deutlicher Anstieg der Todesfälle durch alkoholbedingte Lebererkrankungen in den USA

Ein Mann trinkt Alkohol aus einem Glas mit Eiswürfeln
© KI-generiert (Adobe Firefly)

Alkoholbedingte Lebererkrankungen (ALD) gehören zu den gefährlichsten und tödlichsten Folgen eines übermäßigen Alkoholkonsums. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sterben weltweit jedes Jahr mehr als 3 Millionen Menschen an den Folgen schädlichen Alkoholkonsums – Lebererkrankungen tragen einen erheblichen Teil dazu bei. In den USA ist die Sterblichkeit durch ALD seit 1999 kontinuierlich gestiegen. Besonders alarmierend: Während der COVID-19-Pandemie hat sich dieser Trend dramatisch beschleunigt. Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in JAMA Network Open (DOI:10.1001/jamanetworkopen.2025.14857), beleuchtet die Entwicklung der ALD-bedingten Sterblichkeit von 1999 bis 2022 und verdeutlicht, wie stark die Pandemie das Risiko für schwere Leberschäden und Todesfälle durch Alkoholmissbrauch erhöht hat.

Dramatische Zahlen: Entwicklung der ALD-Mortalität seit 1999

Die Studie stützt sich auf die Mortalitätsdatenbank der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC), die Todeszertifikate von Menschen über 25 Jahren aus allen Bundesstaaten auswertet. Zwischen 1999 und 2022 wurden mehr als 436.000 Todesfälle durch alkoholbedingte Lebererkrankungen registriert. Die jährliche Sterblichkeitsrate kletterte von 6,71 auf 12,53 pro 100.000 Einwohner – eine fast doppelte Zunahme innerhalb von 23 Jahren. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dieser Trend in den letzten Jahren: Von 2018 bis 2022 beschleunigte sich der Anstieg der ALD-Mortalität deutlich, parallel zur COVID-19-Pandemie. Die durchschnittliche jährliche prozentuale Veränderung (AAPC) lag 2022 bei 8,94 %. Damit ist der Anstieg der ALD-Sterblichkeit in der Pandemiezeit stärker und nachhaltiger als bislang angenommen.

Wer ist besonders betroffen? Geschlechter- und Altersunterschiede

Männer stellen mit 70,7 % weiterhin den Großteil der Todesfälle, doch der relative Anstieg der Sterblichkeit ist bei Frauen besonders ausgeprägt. Während bei Männern die Zahl der ALD-Todesfälle von 10,64 auf 17,33 pro 100.000 stieg, verdoppelte sie sich bei Frauen von 3,25 auf 8,03 pro 100.000. Die durchschnittliche jährliche prozentuale Veränderung lag 2022 bei Frauen bei 4,29 %, verglichen mit 2,50 % im Jahr 1999. Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen biologisch anfälliger für alkoholbedingte Leberschäden sind: Sie bauen Alkohol langsamer ab und entwickeln schon bei geringeren Mengen schwere Leberschäden. Auch jüngere Erwachsene sind zunehmend betroffen: Die Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen verzeichnete mit einer AAPC von 4,23 % die stärkste Steigerung. Die höchste absolute ALD-Mortalität wurde jedoch bei den 45- bis 64-Jährigen mit 20,66 pro 100.000 im Jahr 2022 beobachtet. Wie schwerwiegend die Folgen sein können, zeigt ein Fall aus der Praxis: Eine Frau mittleren Alters, die vor der Pandemie nur gelegentlich Alkohol trank, entwickelte während der Lockdowns eine Alkoholabhängigkeit und erkrankte innerhalb weniger Jahre an einer schweren Leberzirrhose – ein Schicksal, das viele teilen könnten.

Ursachen und Folgen: Warum steigt die ALD-Sterblichkeit?

Die Gründe für den dramatischen Anstieg der Sterblichkeit durch alkoholbedingte Lebererkrankungen (ALD) sind vielschichtig. Während der COVID-19-Pandemie haben sich die Trinkgewohnheiten vieler Menschen verändert: Viele griffen häufiger und in größeren Mengen zu Alkohol, um Stress, Unsicherheit und soziale Isolation zu kompensieren. Hinzu kommt, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung und unterstützenden Angeboten wie Suchthilfe oder Beratungsstellen zeitweise stark eingeschränkt war, was eine frühzeitige Diagnose und Behandlung erschwerte.

Besonders alarmierend ist der Anstieg schwerer Verläufe: Die Mortalität durch alkoholbedingte Hepatitis stieg von 0,47 auf 0,76 pro 100.000, während die Sterblichkeit durch alkoholbedingte Leberzirrhose von 4,09 auf 9,52 pro 100.000 zunahm.

Expert:innen wie Dr. Robert J. Wong, Gastroenterologe an der Stanford University School of Medicine, betonen, dass die negativen Auswirkungen der Pandemie auf den Alkoholkonsum und die Gesundheit der Bevölkerung schwerwiegender und dauerhafter seien als bisher dokumentiert. Angesichts dieser Entwicklung empfiehlt die CDC, Präventionsmaßnahmen zu verstärken, das öffentliche Bewusstsein für die Risiken von Alkoholkonsum zu schärfen und den Zugang zu Suchthilfe und medizinischer Versorgung gezielt auszubauen, um die steigende ALD-Mortalität einzudämmen.

Fazit

Die Studie macht klar: Alkoholbedingte Lebererkrankungen sind ein wachsendes Problem, das durch gesellschaftliche Krisen wie die Pandemie weiter verschärft wird. Gesundheitspolitische Maßnahmen sollten deshalb verstärkt auf Aufklärung, frühzeitige Intervention und niedrigschwellige Hilfsangebote setzen, um den Trend zu stoppen und die öffentliche Gesundheit nachhaltig zu schützen.

Quellen:
  • Deutsches Ärzteblatt: „Alkoholbedingte Lebererkrankungen: Mortalität in den USA während der Pandemie fast verdoppelt.“ 2025. https://www.aerzteblatt.de/news/rubriken/medizin/alkoholbedingte-lebererkrankungen-mortalitat-in-den-usa-wahrend-der-pandemie-fast-verdoppelt-84ee1ff7-67c0-4e25-b9c6-940dc636bd2e (abgerufen am 17.06.2025).
  • Pan, Cheng, et al. "Alcohol-Associated Liver Disease Mortality." JAMA Network Open, vol. 8, no. 6, 2025, e2514857. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2025.14857 (abgerufen am 17.06.2025).
  • World Health Organization: „Alcohol.“ 2024. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/alcohol (abgerufen am 17.06.2025).
  • Centers for Disease Control and Prevention: „Alcohol and Public Health.“ 2024. https://www.cdc.gov/alcohol/index.htm (abgerufen am 17.06.2025).
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): „Der kleine Unterschied: Gesundheitsrisiken von Alkoholkonsum für Frauen gravierender.“ 2021. https://www.bioeg.de/presse/pressearchiv/pressemitteilungen-2021/2021-03-05-der-kleine-unterschied-gesundheitsrisiken-von-alkoholko (abgerufen am 17.06.2025).
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