Fortschritt durch Wissenschaft: Neue Standards bei chronischen Wundinfektionen

sterile Kompresse

Chronische Wundinfektionen belasten Patient:innen und medizinisches Personal gleichermaßen. Sie können zu verlängerten Heilungsverläufen, höheren Gesundheitskosten sowie einer reduzierten Lebensqualität führen. Zunehmende Antibiotikaresistenzen und steigende Patientenzahlen machen ein strukturiertes Vorgehen unverzichtbar. Neuste Leitlinien (DOI: 10.1111/ddg.15649; DOI: 10.1007/s00103-018-2706-2) setzen dabei überarbeitete Qualitätsmaßstäbe für Diagnostik, Therapie und Prävention.

Differenzialdiagnostik: Präzision als Grundstein für Therapieerfolg

Die Differenzierung zwischen einer rein entzündlichen Wunde und einer bakteriellen Infektion ist essenziell. Während bei immunvermittelten Entzündungen immunmodulierende Maßnahmen greifen, bedürfen echte Infektionen antiseptischer oder antibiotischer Therapien. Das Positionspapier von Dissemond et al. (2025) empfiehlt deshalb eine strukturierte Differenzialdiagnose mit Score-Systemen wie dem TILI-Score (Therapeutischer Index für Lokale Infektionen) und dem W.A.R.-Score (Wound At Risk).

Der TILI-Score macht eine evidenzbasierte Indikation für eine lokale antimikrobielle Therapie möglich: Sind mindestens fünf indirekte oder ein direktes Kriterium erfüllt, ist eine antimikrobielle Therapie angezeigt. Der W.A.R.-Score erfasst Risikofaktoren, die die Gefahr einer Wundinfektion erhöhen können, wie etwa Diabetes, ein geschwächtes Immunsystem oder schwierige Wundstellen. Wird ein Wert von drei oder mehr Punkten erreicht, sollte über eine vorbeugende antimikrobielle Therapie nachgedacht werden.

Das M.O.I.S.T.-Schema: Struktur für den Versorgungsalltag

Ein Meilenstein der modernen Wundversorgung ist das interdisziplinäre M.O.I.S.T.-Schema. Dieses umfasst die Feuchtigkeitsbalance (Moisture), die Infektionskontrolle (Infection), die Unterstützung der körpereigenen Heilung (Oxygen balance), die Stimulation der Wundheilung (Support) und die adäquate Wahl der Wundauflagen (Tissue management). Die Anwendung dieses Schemas sorgt für überprüfbare und wissenschaftlich fundierte Standards in der täglichen Versorgungspraxis.

Präventionsstrategie: Die Rolle der KRINKO-Empfehlung

Gerade im Bereich der postoperativen Wundinfektionen bildet die Prävention das Fundament einer erfolgreichen Versorgung. Die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) definieren seit 2018 evidenzbasierte Maßnahmen zur Reduktion sogenannter Surgical Site Infections (SSI). Wichtige Komponenten dieser Bündelstrategie sind die standardisierte Hautantiseptik vor Operationen, die gezielte Haarentfernung nur bei medizinischer Indikation, MRSA-Screening, die perioperative Antibiotikaprophylaxe, Glukosekontrolle sowie die Sicherstellung der Normothermie. Hinzu kommen verpflichtende Hygieneschulungen für das klinische Personal.

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Die Herausforderung der Zukunft besteht in der Umsetzung dieser Erkenntnisse in der breiten Praxis: Die Individualisierung der Therapie durch objektive Scores, die strikte Prävention nosokomialer Infektionen und ein multimodaler Ansatz sind der Goldstandard moderner Wundbehandlung. Die kontinuierliche Schulung medizinischer Teams sowie die Implementierung von Monitoring- und Qualitätssicherungsmaßnahmen sichern eine langfristige Verbesserung der Versorgung chronischer Wunden.

Ein wesentlicher Impuls für das neue Positionspapier geht von der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Universitätsklinikum Essen aus, maßgeblich mitgestaltet von Prof. Dr. Joachim Dissemond. Als ausgewiesener Spezialist für chronische Wunden betont er die Bedeutung klar strukturierter Behandlungskonzepte, besonders bei komplexen oder schwer therapierbaren Wundzuständen.

Fazit

Mit wissenschaftlich abgesicherten Scores, transsektoralen Konzepten wie dem M.O.I.S.T.-Schema und konsequenten Präventionsmaßnahmen setzt sich der Trend in Richtung einer individualisierten, strukturierten und wirksamen Wundbehandlung durch. Die Kombination aus wissenschaftlicher Evidenz und praxisorientierter Umsetzung läutet eine neue Qualität in der Versorgung chronischer Wundinfektionen ein.

Quellen:

Dissemond, J. et al. "Systematik, Diagnostik und Therapie von Wundinfektionen chronischer Wunden: Ein Positionspapier von WundDACH." J Dtsch Dermatol Ges, 2025, https://doi.org/10.1111/ddg.15649

Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut: Prävention postoperativer Wundinfektionen. 2018. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-018-2706-2 (abgerufen am 29.07.2025)

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