Deep Learning revolutioniert die Hautkrebsdiagnostik: Neue Chancen für die Früherkennung des malignen Melanoms

Ein Melanom in der Haut

Hautkrebs ist weltweit auf dem Vormarsch – insbesondere das maligne Melanom sorgt aufgrund seiner Aggressivität und seines hohen Metastasierungspotenzials für große Besorgnis in der Medizin. Neben klassischen Risikofaktoren wie UV-Strahlung, heller Haut, genetischer Prädisposition und Immunsuppression ist vor allem die schwierige Unterscheidung zwischen harmlosen und bösartigen Hautveränderungen eine Herausforderung für Ärzt:innen. Eine aktuelle Studie von Kaur et al. (2025) stellt ein innovatives, Deep-Learning-basiertes Computer-Assistenzsystem (CAD) zur Melanomdiagnostik vor, das die Früherkennung entscheidend verbessern könnte (DOI: 10.3390/s25030594).

Hautkrebs im Wandel – Die Herausforderung der Früherkennung

Die Zahl der Hautkrebsfälle steigt weltweit kontinuierlich, mit besonders hohen Raten in Australien und Neuseeland. Globale Prognosen gehen für das Jahr 2040 von über 500.000 neuen Melanomdiagnosen jährlich aus. Das maligne Melanom ist zwar seltener als andere Hautkrebsformen, aber deutlich gefährlicher. Die visuelle Differenzierung zwischen gutartigen Muttermalen und bösartigen Läsionen ist selbst für erfahrene Dermatolog:innen oft schwierig. Das etablierte ABCDE-Schema (Asymmetrie, Begrenzung, Colorit, Durchmesser, Evolution) hilft zwar, ist aber zeitaufwendig und nicht immer eindeutig. In der Praxis kommt es daher immer wieder zu Fällen, in denen Melanome zu spät erkannt werden.

Deep Learning als Schlüssel zur präzisen Diagnose

Die Untersuchung von Kaur et al. verdeutlicht eindrucksvoll, wie Deep-Learning-Technologien die Hautkrebsdiagnostik auf ein neues Niveau heben können. Das vorgestellte Computer-Assistenzsystem (CAD) arbeitet in mehreren Schritten: Zunächst werden störende Elemente wie Haare digital entfernt, um eine klare Bildgrundlage zu schaffen. Danach sorgt eine gezielte Kontrastanpassung dafür, dass auch subtile Unterschiede in der Hautstruktur sichtbar werden. Die eigentliche Abgrenzung der verdächtigen Hautareale erfolgt mithilfe eines neuronalen Netzes, das durch die sogenannte „Atrous Dilation“-Technik besonders feine Details und Übergänge erkennt. Abschließend übernimmt ein speziell entwickeltes, ressourcenschonendes Deep Convolutional Neural Network (N-DCNN) die Klassifikation der Läsionen. Dieses System ist so optimiert, dass es nicht nur sehr präzise arbeitet, sondern auch auf weniger leistungsfähigen Rechnern einsetzbar ist. Die Studie hebt hervor, dass die Kombination dieser Schritte zu einer deutlich verbesserten Erkennungsrate von malignen Melanomen führt und gleichzeitig die Fehlerquote bei der Unterscheidung zwischen gutartigen und bösartigen Hautveränderungen senkt.

Technische Innovationen und Studienergebnisse

Für die Entwicklung und Validierung des CAD-Systems nutzten die Forschenden den ISIC-2020-Bilddatensatz, der nach sorgfältiger Bereinigung 12.882 hochwertige Dermatoskopiebilder enthält. Um das natürliche Ungleichgewicht zwischen benignen und malignen Fällen auszugleichen, wurden zusätzliche Melanom-Bilder durch Datenaugmentation generiert. Nach Abschluss der Bildvorverarbeitung konnte das N-DCNN eine sehr hohe Genauigkeit von 93,4 % bei der Unterscheidung von Melanomen und harmlosen Hautveränderungen erreichen; bereits ohne Vorverarbeitung lag die Genauigkeit bei beachtlichen 90,9 %. Auch bei weiteren Kennzahlen wie Sensitivität, Spezifität, Präzision und F1-Score schnitt das neue System besser ab als etablierte Deep-Learning-Modelle wie ResNet18, Inceptionv3 und Xception. Besonders bemerkenswert ist, dass das N-DCNN trotz seiner hohen Leistungsfähigkeit weniger Rechenressourcen benötigt und eine sehr kurze Analysezeit pro Bild aufweist. Die Robustheit des Systems gegenüber Bildartefakten und Störungen unterstreicht zusätzlich die Praxistauglichkeit und das Potenzial für den Einsatz in der klinischen Routine.

Klinische Relevanz und Zukunftsperspektiven

Der praktische Nutzen von Deep-Learning-gestützten Systemen wird besonders deutlich an einem Fall aus der klinischen Praxis: Frau M., 52 Jahre alt, entdeckte eine dunkle Hautveränderung an ihrem Oberarm, die zunächst als unbedenklich eingestuft wurde. Erst im Rahmen eines Hautscreenings, bei dem eine KI-gestützte Bildanalyse zum Einsatz kam, wurden subtile Auffälligkeiten erkannt, die für das menschliche Auge kaum sichtbar waren. Die anschließende feingewebliche Untersuchung bestätigte ein frühes malignes Melanom, das rechtzeitig entfernt werden konnte. Dieses Beispiel verdeutlicht eindrucksvoll, wie Künstliche Intelligenz dazu beitragen kann, auch unscheinbare Hautveränderungen frühzeitig zu identifizieren und dadurch die Heilungschancen deutlich zu verbessern.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt auch die AWMF-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“ (Registernummer 032-024OL) ausdrücklich den Einsatz bildgebender Verfahren zur Unterstützung der Melanomdiagnostik. Sie unterstreicht zudem die Bedeutung neuer Technologien für eine verbesserte Früherkennung. Deep-Learning-basierte Diagnosesysteme stellen dabei einen wichtigen Fortschritt dar, da sie eine objektivere, schnellere und zuverlässigere Hautkrebsdiagnostik ermöglichen – insbesondere bei unklaren oder grenzwertigen Befunden. Viele Ärzt:innen berichten, dass solche Systeme wertvolle Hilfestellungen bieten und Fehldiagnosen reduzieren können.

Dennoch bleibt die ärztliche Verantwortung unverändert zentral. Dr. Titus Brinker, Hautarzt und Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), weist darauf hin: „Die letztendliche Verantwortung für eine Diagnose liegt beim Kliniker. Deshalb sind Dermatologen berechtigterweise vorsichtig, KI-basierte Systeme einzusetzen, ohne deren Entscheidungen nachvollziehen zu können.“ Um die breite Anwendung dieser Technologien zu ermöglichen, sind weitere klinische Studien sowie die Integration in bestehende Versorgungssysteme unerlässlich.

Fazit

Die Kombination aus technischer Innovation und medizinischer Expertise eröffnet neue Wege in der Hautkrebsdiagnostik. Deep-Learning-basierte Systeme wie das von Kaur et al. vorgestellte CAD-Modell bieten eine vielversprechende Möglichkeit, die Früherkennung und Behandlung des malignen Melanoms nachhaltig zu verbessern. Ärzt:innen sollten die Chancen dieser Technologien aktiv nutzen und in die klinische Praxis integrieren, um die Versorgung von Patient:innen weiter zu optimieren. Die Zukunft der Hautkrebsdiagnostik ist digital – und sie beginnt jetzt.Schlagworte:

Quellen:

Kaur, Ranpreet et al. "Advanced Deep Learning Models for Melanoma Diagnosis in Computer-Aided Skin Cancer Detection." Sensors, 2025, https://doi.org/10.3390/s25030594

Arnold, Melina, et al. "Global Burden of Cutaneous Melanoma in 2020 and Projections to 2040." JAMA Dermatology, 2022, https://doi.org/10.1001/jamadermatol.2022.0160.

Universitätsklinikum Heidelberg: KI-basierte Unterstützung für die Hautkrebsdiagnostik erklärt ihre Entscheidungen. 2024. https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/newsroom/ki-basierte-unterstuetzung-fuer-die-hautkrebsdiagnostik-erklaert-ihre-entscheidungen/ (abgerufen am 07.07.2025).

AWMF-Leitlinie: Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms (Registernummer 032-024OL). https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/032-024OL (abgerufen am 07.07.2025).

Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Weißer Hautkrebs und schwarzer Hautkrebs (malignes Melanom). 2025. https://www.krebsinformationsdienst.de/hautkrebs (abgerufen am 07.07.2025).

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