Pandemie und Psyche: Versorgung am Limit

Das Bild zeigt ein Gespräch zwischen zwei Personen in einem modernen, hellen Raum. Eine Person mit Tablet hört aufmerksam zu, während die andere spricht und eine erklärende Geste macht. Die Szene vermittelt den Eindruck eines professionellen Beratungsgesp
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Eine fortlaufende internationale Online-Befragung mit rund 2.000 Personen bestätigt, was viele bereits vermuten: Die Corona-Pandemie hat die Belastung durch Depressionen und andere psychische Erkrankungen verstärkt und die Häufigkeit dieser Störungen deutlich erhöht. Medizinische Fachleute und Patient:innen sind gleichermaßen mit diesen Entwicklungen konfrontiert.

Eskalation der Symptome: Depressionen im Wandel

Die aktuelle Studienanalyse verdeutlicht einen dramatischen Anstieg schwerer Symptome – bei depressiven Erkrankungen hat sich deren Belastungsniveau verfünffacht. Ähnliches gilt für andere psychische Störungsbilder. Die Versorgung gerät durch den erhöhten Bedarf immer mehr unter Druck: Viele Patient:innen sind aktuell weitgehend auf sich allein gestellt, da das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen gestellt ist.

Erfahrung aus der Praxis: Stimmen aus der Psychiatrie

Im Gespräch berichtet Prof. Hans-Peter Volz, ärztlicher Direktor des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss Werneck, über tiefgreifende Veränderungen und Versorgungslücken seit Pandemiebeginn. Die ambulanten und stationären Behandlungsmöglichkeiten mussten vielerorts reduziert werden und sind auch aktuell noch nicht auf dem Niveau vor dem Ausbruch der Pandemie.

Insbesondere Patient:innen mit schweren psychischen Störungen sind betroffen. Der Versuch, bewährte Strukturen wiederherzustellen, bestimmt aktuell die Arbeit der Versorgungsteams. Prof. Volz beobachtet, dass bei vielen Menschen – vor allem in depressiven Bildern – die Symptome durch die erzwungene soziale Isolation weiter zunehmen.

Behandlung unter erschwerten Bedingungen

Die Therapie bei neu aufgetretenen oder verstärkten depressiven Symptomen folgt grundsätzlich etablierten Standards. Die intensivierte Anwendung bekannter Behandlungsoptionen steht dabei im Vordergrund, um Patient:innen bestmöglich zu unterstützen. Noch sind die Möglichkeiten eingeschränkt, solange die pandemiebedingten Restriktionen den Regelbetrieb behindern. Der Weg zurück zu den Versorgungsstrukturen vor „Corona“ hängt von der weiteren Entwicklung und dem vollständigen Wegfall der Einschränkungen ab. Laut Prof. Volz könnten nach Aufhebung aller Restriktionen innerhalb weniger Tage wieder die gewohnten Behandlungsmöglichkeiten bereitstehen.

Langzeitfolgen: Das Ende der Quarantäne heißt nicht das Ende der Belastung

Auch wenn der Alltag und die Versorgung nach und nach zur Normalität zurückkehren, bleibt die psychische Belastung oft bestehen. Erkenntnisse aus früheren Epidemien wie SARS (2002–2003) und MERS (2012, 2016) zeigen: Selbst sieben Monate nach Quarantäne berichten 26,6 % der Befragten über relevante Symptome psychischer Erkrankungen. Studien finden sogar drei Jahre nach Ende der Maßnahmen noch eine starke Verbindung zwischen Quarantäne-Erfahrungen und depressiven Störungen.

Prävention – Wissen schützt vor Langzeitfolgen

Die Auswertung früherer Pandemien beweist, dass gezielte Aufklärung die Resilienz stärkt und Langzeitfolgen mindern kann. Es gilt, rechtzeitig zu informieren: Psychische Belastung ist in Ausnahmesituationen zu erwarten und muss nicht zwangsläufig zu schweren Störungen führen. Nicht alle Betroffenen benötigen zwangsläufig professionelle Hilfe – Informationen und niedrigschwellige Angebote wie Stressreduktions-Apps können auch helfen, um die mentale Gesundheit zu stabilisieren.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) bietet zahlreiche kostenlose und wissenschaftlich fundierte Online-Programme an. Für Patient:innen mit erhöhtem medizinischen Bedarf wurden bereits während der Pandemie neue Regeln für die Abrechnung telefonischer Konsultationen eingeführt. Die DGPPN hält hierzu einen praxisnahen Überblick bereit. Das Ziel bleibt, Menschen mit intensivem Betreuungsbedarf jederzeit qualifiziert zu versorgen.

Fazit

Trotz intensiver Bemühungen hat die Corona-Pandemie zu einem spürbaren Anstieg und einer Verschärfung psychischer Erkrankungen geführt. Die Versorgungssituation bleibt angespannt, vielerorts herrscht nach wie vor Unterversorgung, insbesondere bei schwer Betroffenen. Für eine nachhaltige Verbesserung braucht es vorausschauende Strukturen, zielgenaue Prävention und einen niederschwelligen Zugang zu wirksamen Therapieangeboten – auch über das Ende der akuten Krisenzeit hinaus.

Auch interessant:

Depression: Eine Krankheit mit vielen Fragen (https://www.springermedizin.de/depression--eine-krankheit-mit-vielen-fragen-/18723200)

Quellen:

Springer Medizin: Wie hat sich die Versorgung psychisch Kranker entwickelt? 2021. https://www.springermedizin.de/wie-hat-sich-die-versorgung-psychisch-kranker-entwickelt-/18789534 (abgerufen am 25.09.2025).

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN): Informationen zur Fachgesellschaft und psychische Gesundheit. 2025. https://www.dgppn.de/ (abgerufen am 25.09.2025).

Röhr S et al. (2020): Psychosoziale Folgen von Quarantänemaßnahmen bei schwerwiegenden Coronavirus-Ausbrüchen: ein Rapid Review. Psychiatr Prax. DOI: 10.1055/a-1159-5562

Medscape: Lehren aus MERS und SARS-Ausbrüchen: Diese psychischen Beschwerden treten noch 7 Monate nach einer Quarantäne auf. 2020. https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4908888#vp_1 (abgerufen am 25.09.2020).

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