Bittere Realität der Depression: Früherkennung, Diagnose und moderne Therapien
Depressionen zählen zu den drei häufigsten psychischen Störungen und sind für Mediziner:innen eine der größten diagnostischen Herausforderungen. Ein Großteil der betroffenen Menschen beschreibt vor allem körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen, Brustschmerz oder Muskelverspannungen – ohne dabei psychische Hintergründe zu nennen. Laut einer Fortbildung der Medical Tribune mit Prof. Hans-Peter Volz berichten etwa 75% der Patient:innen zunächst ausschließlich über somatische Symptome. Diese Maskerade erschwert die Diagnose und erfordert besondere Aufmerksamkeit in der hausärztlichen Praxis.
Unspezifische Schmerzen als erstes Warnsignal
Viele Erkrankte stellen sich mit unspezifischen Schmerzen im Praxisalltag vor. Die Suche nach medizinischen Ursachen für Beschwerden wie Rücken- oder Brustschmerz führt sie häufig zuerst zum Hausarzt oder zur Hausärztin. Die Herausforderung für Mediziner:innen liegt darin, hinter diesen Beschwerden die wahre Ursache zu erkennen und die Diagnose Depression korrekt zu stellen. Prof. Volz betont, dass Patient:innen mit Depressionen bei Krankschreibung teilweise mehrere Monate fehlen – ein Umstand, der die Dringlichkeit einer klaren Diagnosestellung unterstreicht.
Diagnostisches Interview als Goldstandard: Drei Schlüsselfragen
Ein entscheidender Baustein für die Diagnose ist das ausführliche diagnostische Interview, welches sich in der klinischen Praxis als Goldstandard etabliert hat. Hierbei rücken drei Fragen zur Hauptsymptomatik in den Mittelpunkt:
- Stimmung: Gab es Zeiträume, in denen Ihre Stimmung deutlich besser oder schlechter war?
- Interessenverlust: Haben Sie in letzter Zeit das Interesse oder die Freude an wichtigen Aktivitäten verloren, sei es Beruf, Hobby oder Familie?
- Antrieb: Fällt es Ihnen schwer, gewohnte alltägliche Aufgaben zu bewältigen?
Insbesondere der Verlust von Freude an scheinbar banalen Aktivitäten – wie ein gemeinsames Abendessen, Treffen mit Freund:innen oder ein Spaziergang – dient als wichtiges Anzeichen.
Nebensymptome strukturieren den Schweregrad
Die Diagnose stützt sich zusätzlich auf die Erhebung von sieben Nebensymptomen der ICD-10: Konzentrations- und Aufmerksamkeitsverminderung, reduziertes Selbstwertgefühl, Schuld- und Wertlosigkeitsgefühle, negative Zukunftsperspektiven, Gedanken oder Handlungen mit Suizidbezug, Schlafstörungen sowie verminderter Appetit.
Bei einer leichten Depression sind mindestens zwei Haupt- und ein Nebenkriterium zu erfüllen. Eine mittelschwere Depression liegt vor, wenn neben zwei Hauptsymptomen mindestens drei der Nebenkriterien zutreffen. Diese systematische Erfassung hilft, das komplexe Erkrankungsbild greifbar zu machen und eine individuelle Therapieplanung einzuleiten.
Laut der aktuellen S3-Leitlinie zur Unipolaren Depression wird bei einer mittelschweren Symptomatik sowohl Psychotherapie als auch eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva gleichwertig empfohlen. Die Wartezeiten auf einen Therapieplatz sind jedoch mit drei bis neun Monaten gravierend.
Johanniskraut als pflanzliche Alternative: Evidenz und Leitlinienempfehlung
Pflanzliche Präparate wie Johanniskraut stehen zunehmend im klinischen Fokus. Speziell Johanniskraut-Extrakt (wie Laif®900) zeigt bei leichten bis moderaten Depressionen eine überzeugende Wirksamkeit, die in Studien als gleichwertig zu synthetischen Antidepressiva beschrieben wird. Die S3-Leitlinie empfiehlt Johanniskraut-Extrakt explizit zur initialen Behandlung leichter und mittelgradiger Depressionen.
Eine Vergleichsstudie belegte: Laif®900 wirkte genauso effektiv wie 20mg Citalopram und war dabei besser verträglich. Viele Patient:innen äußern außerdem den Wunsch nach dem am besten verträglichen Medikament – ein häufiger Grund für die Wahl von Johanniskraut oder Agomelatin. Beide Substanzen zeigen ein Nebenwirkungsprofil, das dem von Placebo nahekommt und damit eine niedrigere Schwelle für die Medikamenteneinnahme bildet.
Individuelle Behandlung und neue Wege
Der Therapieerfolg steht und fällt mit einer individuellen Auswahl: Wahlfreiheit zwischen Psychotherapie, synthetischen oder pflanzlichen Antidepressiva und das aktive Handeln der Hausarztpraxis sind entscheidend. Ärzt:innen sollten auch die Erwartungen und Sorgen der Patient:innen ernst nehmen und bei Unsicherheiten gezielt evidenzbasierte Lösungen anbieten.
Quellen:
Springer Medizin: Expertenempfehlung: Diagnose & Therapie von Depressionen 2024. https://www.springermedizin.de/expertenempfehlung--diagnose---therapie-von-depressionen/27247326 (abgerufen am 11.10.2025).
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression. 2022. Registernummer: nvl-005. Version 3.2. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/nvl-005 (abgerufen am 11.10.2025).
Medical Tribune: Depression – Diagnose und Therapie. 2023. https://www.medical-tribune.de/fortbildung/cme-online
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Hochdosiertes Johanniskraut hat sich als pflanzliches Antidepressivum einen festen Platz in der Therapie leichter bis mittelschwerer Depressionen erarbeitet. Besonders im Vergleich zu synthetischen Antidepressiva wie SSRIs oder trizyklischen Antidepressiva (TCAs) stellt sich die Frage, wie gut Johanniskraut wirklich wirkt und welche Vorteile es bietet.