Johanniskraut im klinischen Fokus: Cochrane-Review liefert klare Evidenz

Das Bild zeigt eine hölzerne Mörserschale, gefüllt mit frischen gelben Johanniskrautblüten. Im Hintergrund liegt der passende Stößel auf einer rustikalen Holzoberfläche. Das Motiv vermittelt den Eindruck natürlicher Heilmittel und traditioneller Pflanzenh
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Johanniskraut zählt zu den am intensivsten untersuchten pflanzlichen Arzneimitteln zur Behandlung depressiver Störungen. Eine Metaanalyse des unabhängigen Cochrane-Netzwerks aus dem Jahr 2008 bietet hierzu fundierte Erkenntnisse: 29 Studien mit insgesamt 5.489 Patient:innen, überwiegend mit leichten bis mittelschweren Depressionen, wurden ausgewertet (DOI: 10.1002/14651858.CD000448). Ziel war es, die Wirksamkeit und Verträglichkeit im direkten Vergleich zu synthetischen Antidepressiva und zu Placebo zu ermitteln.

Studiendesign und Teilnehmer:innen

Die untersuchten Studien erstreckten sich über Zeiträume von vier bis zwölf Wochen. Von den eingeschlossenen Arbeiten waren 18 placebokontrolliert, 17 verglichen Johanniskraut mit synthetischen Antidepressiva; sämtliche Studien waren doppelt verblindet. Eingesetzte Vergleichssubstanzen umfassten u. a. Fluoxetin (6 Studien), Sertralin (4), Imipramin (3), Citalopram (1), Paroxetin (1), Maprotilin (1) und Amitriptylin (1). Die Johanniskrautextrakte wurden in Dosierungen von 500 bis 1.200 mg täglich gegeben, häufig mit gängigen Depressionsskalen wie der Hamilton Depression Scale (HAMD) als Bewertungsinstrument.

Die Studienqualität war insgesamt hoch (Median: 5 von 5 Punkten; Spannweite: 2–5), wenngleich eine deutliche methodische Heterogenität bestand. Ursachen sahen die Autor:innen u. a. in variierenden Präparaten, unterschiedlichen Schweregraden und länderspezifischen Faktoren.

Vergleich mit Standard-Antidepressiva

Bei den Ansprechraten zeigten Johanniskrautextrakte und synthetische Antidepressiva keinen signifikanten Unterschied: Risiko-Verhältnis 1,01 (95%-KI: 0,93–1,09). Somit erwiesen sich die pflanzlichen Präparate bei leichten bis mittleren Depressionen als ebenbürtig hinsichtlich Wirksamkeit. Im Vergleich zu Placebo trat eine signifikant höhere Therapie-Response auf: Risiko-Verhältnis 1,48 (95%-KI: 1,23–1,77). Patient:innen unter Johanniskraut hatten demnach eine um 48% größere Wahrscheinlichkeit, auf die Behandlung anzusprechen.

Verträglichkeit im Fokus

Die Verträglichkeit wurde anhand der Abbruchraten wegen Nebenwirkungen bewertet. Zwischen Johanniskraut und Placebo gab es hier keine statistisch relevanten Unterschiede. Im Vergleich zu synthetischen Antidepressiva hingegen schnitt Johanniskraut deutlich besser ab, mit signifikant geringeren Abbruchraten.

Experteneinschätzung

Prof. Dr. Hans-Peter Volz, Ärztlicher Direktor Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss Werneck, betonte, dass Metaanalysen aus klinischer Sicht den höchsten Evidenzstandard darstellen. Für Johanniskraut ergaben sich daraus drei wesentliche Schlussfolgerungen: Erstens besteht kein Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Johanniskrautextrakten und synthetischen Antidepressiva. Zweitens sprechen Patient:innen im Vergleich zu Placebo deutlich häufiger auf Johanniskraut an – die Wahrscheinlichkeit für eine therapeutische Response lag rund 50 Prozent höher. Drittens konnte erneut bestätigt werden, dass Johanniskrautextrakte deutlich besser verträglich sind als herkömmliche Antidepressiva, was sich an den niedrigeren Abbruchraten aufgrund von Nebenwirkungen zeigt.

Größte Einzelstudie im Review

Besonders hervorzuheben ist eine Studie mit 388 Patient:innen mit mittelschwerer Depression. Nach sechs Wochen lagen die Response-Raten bei 54,2% für Johanniskraut (STW3-VI, 900 mg/d als Einmalgabe) und 55,9% für Citalopram (20 mg/d). Beide Gruppen zeigten einen signifikanten Symptomrückgang gegenüber Placebo. Zudem wies Johanniskraut ein signifikant günstigeres Nebenwirkungsprofil auf. Hier galt eine Ansprechrate als gegeben, wenn sich der HAMD-Wert um mindestens 50% besserte oder unter einem Punktwert von 10 lag.

Quellen:

Gastpar, M. et al. (2006): Comparative Efficacy and Safety of a Once-Daily Dosage of Hypericum Extract STW3-VI and Citalopram in Patients with Moderate Depression: A Double-Blind, Randomised, Multicentre, Placebo-Controlled Study. Pharmacopsychiatry. DOI: 10.1055/s-2006-931544

Linde, K. et al. (2008): St John's wort for major depression. Cochrane Database Syst Rev. https://doi.org/10.1002/14651858.CD000448.pub3

Springer Medizin: Antidepressiva: Cochrane-Analyse untersucht Johanniskrautextrakte. 2022. https://www.springermedizin.de/cochrane-analyse-untersucht-johanniskrautextrakte/23345178 (abgerufen am 05.10.2025)

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