Psychreport 2025: Besorgniserregender Anstieg von Depressionen – Was auf Hausärzt*innen zukommt

Fehlzeiten steigen dramatisch

Laut DAK entfielen im Jahr 2024 342 Fehltage pro 100 Beschäftigte auf psychische Diagnosen – im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 323 (1). Depressionen waren dabei die häufigste Ursache und verursachten 183 Fehltage pro 100 Beschäftigte, verglichen mit 122 Tagen im Jahr 2023 (1). Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen, die 2024 die zweithäufigste Ursache darstellten, gingen hingegen um rund 32 Prozent zurück (1). Die durchschnittliche Dauer einer Krankschreibung wegen psychischer Erkrankungen lag 2024 bei 33 Tagen, was einen leichten Anstieg verglichen mit dem Vorjahr darstellt. Besonders auffällig ist die Zunahme langwieriger Fälle (29–42 Tage), die um 14 Prozent stiegen, während kurze Krankschreibungen (1–3 Tage) nur um 9 Prozent zulegten (1).

Diese Berufsgruppen sind besonders belastet

Beschäftigte in der Kinderbetreuung und Pflege sind weiterhin überdurchschnittlich betroffen: In Kitas wurden 586 Fehltage pro 100 Beschäftigte gezählt (im Vorjahr: 534), in der Altenpflege lag dieser Wert bei 573 Tagen (1). Im Vergleich dazu verzeichnet die Lebensmittelherstellung lediglich 236 Fehltage pro 100 Beschäftigte (1). Ein deutlicher Anstieg zeigte sich auch in der Altersgruppe über 60 Jahre: Hier stiegen die Fehlzeiten aufgrund von Depressionen von 169 auf 249 Tage pro 100 Beschäftigte (1). Damit wird deutlich, dass psychische Belastung kein Thema nur für jüngere Menschen ist.

Großer Bedarf, lange Wartezeiten: die Schere geht weiter auseinander

Trotz des zunehmenden Behandlungsbedarfs bleibt der Zugang zu Psychotherapie schwierig. Laut der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf einen Therapieplatz in vielen Regionen fünf Monate (2). In ländlichen Gebieten kann sie sogar bis zu einem Jahr dauern (3).

Diese langen Wartezeiten sind eine besondere Herausforderung für Hausärzt*innen. Sie müssen nicht nur die erste Diagnose stellen, sondern auch die Lücke bis zum Beginn einer Therapie überbrücken – beispielsweise durch unterstützende Gespräche, regelmäßige Kontrollen oder medikamentöse Maßnahmen.

Strukturelle Fehler in der Bedarfsplanung und Kassensitze

Ein zentrales Problem liegt in der nicht mehr zeitgemäßen unzureichenden Bedarfsplanung: Obwohl es in Deutschland rund 48.000 approbierte Psychotherapeutinnen gibt, haben nur etwa 35.000 eine Kassenzulassung, die zur Behandlung von gesetzlich versicherten Patientinnen erforderlich ist. Bereits vor sechs Jahren erkannte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den zusätzlichen Bedarf und genehmigte 770 weitere Kassensitze – doch dies reicht aus Sicht der BPtK bei weitem nicht aus. Vor allem in ländlichen Regionen gibt es weiterhin massive Versorgungslücken (3).

Die Erweiterung der Kassenzulassungen stößt zudem auf finanzielle Bedenken: Mehr Therapiesitze bedeuten auch höhere Kosten für die Krankenkassen. Solange diese strukturellen Engpässe bestehen, wird sich kaum etwas an den langen Wartezeiten ändern. Der G-BA sieht darüber hinaus Defizite in der Verteilung der Kassensitze zwischen Stadt und Land sowie in der Vielfalt des Angebots in bestehenden Praxen. Eine bessere Steuerung, idealerweise durch digitale Instrumente, wird dringend gefordert (3).

Hausarztpraxis wichtig wie noch nie: Früherkennung entscheidend für Prognose und Verlauf

Da der Zugang zu Fachtherapeuten so langwierig ist, fällt der hausärztlichen Versorgung eine tragende Rolle zu. Durch regelmäßige Check-ups, strukturierte Gesprächsanlässe und gezielte Fragen zu Stimmung, Schlaf und Antrieb können viele depressive Symptome frühzeitig erkannt werden – oft noch bevor Betroffene selbst aktiv Hilfe suchen.

Hilfsmittel wie der PHQ-9-Fragebogen oder der GAD-7 zur Angstabklärung können ohne großen Aufwand in den Praxisalltag integriert werden (4). Gerade bei somatischen Beschwerden ohne klare Ursache oder bei Patient*innen in psychosozial belastenden Lebenssituationen lohnt es sich, gezielt nach psychischen Belastungen zu fragen.

Pflanzliche Unterstützung bei leichter bis mittelschwerer Depression immer beliebter

Bei leichten bis mittelschweren depressiven Episoden ist ein pflanzlicher Therapieansatz mit hochdosiertem Johanniskrautextrakt (900mg) absolut sinnvoll – etwa für Patient*innen, die auf einen Therapieplatz warten oder eine sanfte, aber wirksame Behandlungsmöglichkeit benötigen. In einer klinischen Studie im Vergleich zu einem synthetischen Antidepressivum sowie in einer Versorgungsforschungsstudie im Vergleich zu SSRI zeigt hochdosiertes Johanniskrautextrakt ein günstigeres Nebenwirkungsprofil (5,6). Typische Nebenwirkungen chemischer Antidepressiva, wie Gewichtszunahme, Sedierung, sexuelle Funktionsstörungen oder QT-Zeitverlängerungen, traten unter der Behandlung mit dem Johanniskrautextrakt-Präparat nicht auf (5,6).

Quellen:
  1. DAK-Psychreport 2025
  2. https://www.bptk.de/pressemitteilungen/salamitaktik-bei-analyse-der-wartezeiten-verschleiert-realen-umfang/
  3. https://www.n-tv.de/panorama/Warum-psychisch-Erkrankte-keine-Hilfe-bekommen-article25652609.html
  4. DGPPN, BÄK, KBV, AWMF (Hrsg.) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression. S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, Version 3.2. Stand 2022. Gültig bis Sept 2027 (zuletzt aufgerufen am 22.10.2024).
  5. Fachinformation Laif®900, Bayer Vital, Stand September 2020.
  6. Gastpar M et al. Comparative Efficacy and Safety of a Once-Daily Dosage of Hypericum Extract STW3-VI and Citalopram in Patients with Moderate Depression: A Double-Blind, Randomised, Multicentre, Placebo-Controlled Study. Pharmacopsychiatry 2006; 39: 66-75.
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