Bluttest statt Darmspiegelung? Neue Wege im Darmkrebsscreening

Ein Bluttest wird in einem Labor untersucht. Foto von Akram Huseyn auf Unsplash

Darmkrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland und weltweit. Laut Robert Koch-Institut (RKI) erkranken hierzulande jährlich etwa 60.000 Menschen neu an einem kolorektalen Karzinom, und die Erkrankung ist eine der führenden Todesursachen im onkologischen Bereich. Die frühzeitige Erkennung durch Screening ist entscheidend für die Prognose. Bisher gelten die Koloskopie und der immunologische Stuhltest als Standardverfahren, wie die S3-Leitlinie der AWMF (Registernummer 021-007OL) betont. Viele Menschen verzichten jedoch aus Angst oder Unbehagen auf diese Untersuchungen.

Eine aktuelle, groß angelegte Studie, veröffentlicht im Journal of the American Medical Association (JAMA, DOI: 10.1001/jama.2025.7515), stellt nun einen neuen Bluttest vor, der das Potenzial hat, die Darmkrebsfrüherkennung zu ergänzen.

Auf dem Prüfstand: Was die Studie wirklich zeigt

Beide Bluttests basieren auf dem Nachweis zellfreier DNA, die von Tumorzellen ins Blut abgegeben wird. In der ECLIPSE-Studie erzielte der Shield-Test eine Sensitivität von 83,1 % für das Erkennen von Darmkrebs, der PREEMPT CRC-Test kam auf 79,2 %. Besonders auffällig sind die Unterschiede je nach Krankheitsstadium: Während der PREEMPT CRC-Test im Stadium I eine Sensitivität von 57,1 % erreichte, lag sie in Stadium II bei 100 % und in Stadium III bei 82,4 %.

Allerdings zeigen beide Tests Schwächen bei der Erkennung fortgeschrittener präkanzeröser Läsionen: Shield identifizierte 13,2 %, PREEMPT CRC 12,5 % dieser Vorstufen. Hier bleibt die Koloskopie im Vorteil, denn sie kann solche Veränderungen nicht nur sichtbar machen, sondern auch direkt entfernen und so präventiv wirken.

Die Spezifität der neuen Bluttests – also ihre Fähigkeit, gesunde Personen korrekt zu erkennen – lag beim Shield-Test bei 89,6 % und beim PREEMPT CRC-Test bei 91,5 %. Das bedeutet, dass bei etwa 8,5–10,4 % der Menschen mit positivem Bluttestergebnis der Verdacht auf Darmkrebs durch die nachfolgende Koloskopie nicht bestätigt wurde. Solche falsch-positiven Befunde führen nicht nur zu unnötigen Untersuchungen, sondern können auch erhebliche psychische Belastungen auslösen.

Ein Fall aus der Praxis zeigt das Dilemma: Eine Frau mittleren Alters, die wegen familiärer Vorbelastung zur Vorsorge geraten wurde, vermied jahrelang die Koloskopie aus Angst vor dem Eingriff. Der neue Bluttest schien eine niedrigschwellige, aber kostspielige Alternative zu sein – doch nach einem auffälligen Ergebnis musste sie sich doch der gefürchteten Darmspiegelung unterziehen, die keinen Tumor fand. Die anfängliche Erleichterung wich Unsicherheit und erneuter Sorge.

Neue Bluttests, alte Barrieren: Wie Kosten und Ängste die Darmkrebsvorsorge beeinflussen

Ein zentrales Problem der Darmkrebsvorsorge bleibt die mangelnde Teilnahme an den etablierten Screening-Programmen: Viele Menschen scheuen die Koloskopie aus Angst vor dem Eingriff oder empfinden Scham beim Stuhltest. Die neuen Bluttests könnten diese Hemmschwelle zwar senken, sind jedoch derzeit sehr teuer – in den USA kostet ein solcher Test rund 1.500 Dollar. In Deutschland hingegen übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Koloskopie und Stuhltest ab dem 50. Lebensjahr, was einen niedrigschwelligen Zugang ermöglicht.

Dadurch entsteht eine neue soziale Ungleichheit: Wer sich den Bluttest leisten kann, hat eine zusätzliche Option, während andere weiterhin auf die klassischen, aber oft gemiedenen Methoden angewiesen sind. Das Robert Koch-Institut betont, dass nur durch eine hohe Teilnahme an Screening-Programmen tatsächlich mehr Leben gerettet werden können. Hier könnte der Bluttest eine Chance bieten, mehr Menschen zur Vorsorge zu bewegen – wie auch Dr. Theodore Levin unterstreicht: „Das eigentliche Potenzial des blutbasierten Screenings besteht darin, dass sich mehr Menschen untersuchen lassen und dadurch mehr Leben gerettet werden.“ Damit dieser Ansatz sein volles Potenzial entfalten kann, muss jedoch der Zugang zu solchen innovativen Verfahren fair gestaltet werden.

Fazit: Bluttests als Ergänzung, nicht als Ersatz

Die neuen Bluttests bieten eine vielversprechende Ergänzung für das Darmkrebsscreening, vor allem für Menschen, die invasive Verfahren ablehnen oder für die eine Koloskopie nicht infrage kommt. Während die Sensitivität bei der Erkennung von Darmkrebs vielversprechend ist, bleiben die Tests bei der Erfassung von Vorstufen deutlich hinter der Koloskopie zurück. Hinzu kommen hohe Kosten und das Risiko sozialer Ungleichheiten, da innovative Verfahren derzeit nicht allen offenstehen. Der entscheidende Fortschritt liegt darin, mehr Menschen zur Teilnahme an der Vorsorge zu bewegen – doch dieses Potenzial kann sich nur entfalten, wenn der Zugang zu neuen Methoden fair gestaltet wird und finanzielle Hürden abgebaut werden.

Quellen:

Quellenverzeichnis

  • Deutsches Ärzteblatt: „Zweiter Bluttest zum Darmkrebsscreening vorgestellt.“ 2025. https://www.aerzteblatt.de/news/rubriken/medizin/zweiter-bluttest-zum-darmkrebsscreening-vorgestellt-88f91cd6-5ae1-4ef6-8b3c-c0dc401a2754 (abgerufen am 16.06.2025).
  • Shaukat, Aasma, et al. "Clinical Validation of a Circulating Tumor DNA–Based Blood Test to Screen for Colorectal Cancer." JAMA, published online 2 June 2025, https://doi.org/10.1001/jama.2025.7515.
  • Zentrum für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut: Darmkrebs. 2025. https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Darmkrebs/darmkrebs_node.html (abgerufen am 16.06.2025)
  • Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Robert Koch-Institut): Darmkrebs – Inzidenz. 2025. https://www.gbe.rki.de/DE/Themen/Gesundheitszustand/KoerperlicheErkrankungen/Krebs/DarmkrebsInzidenz/darmkrebsInzidenz_node.html (abgerufen am 16.06.2025)
  • Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). „S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom“ (Registernummer 021-007OL). https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/021-007OL (abgerufen am 16.06.2025).

 

Pressemitteilungen:

  • Freenome: Freenome Announces JAMA Publication of Data from Pivotal Study of Its Blood-Based Test for Colorectal Cancer. 2025. https://www.freenome.com/newsroom/freenome-announces-jama-publication-of-data-from-pivotal-study-of-its-blood-based-test-for-colorectal-cancer/ (abgerufen am 16.06.2025)
  • Kaiser Permanente Division of Research: Blood test for colon cancer screening shows promise in large study. 2025. https://divisionofresearch.kaiserpermanente.org/blood-test-colon-cancer-screening/ (abgerufen am 16.06.2025)
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