Diabetische Fußwunden: Innovative Ansätze gegen eine stille Krise

Eine offene Wunde am Rücken eines Menschen

Diabetes mellitus ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen in westlichen Ländern und führt oft zu schwerwiegenden Folgeproblemen. Besonders gefürchtet ist das diabetische Fußulkus (DFU), das etwa 20–30 % aller Patient:innen im Laufe ihres Lebens betrifft. Diese chronischen Wunden heilen oft schlecht und führen in bis zu 20 % der Fälle zu schwerwiegenden Komplikationen wie Amputationen. Die Hauptursachen sind eine gestörte Nervenversorgung (Neuropathie) und eine mangelhafte Durchblutung (periphere arterielle Verschlusskrankheit); beide Faktoren erschweren die Heilung erheblich. Eine aktuelle Studie von Wang et al. (2025) stellt nun mit Panthenolcitrat (PC) einen neuartigen Wirkstoff vor, der die Wundheilung bei DFU deutlich verbessern könnte (DOI: 10.1002/adhm.202301683).

Grenzen bisheriger Therapien und der Bedarf an Innovation

Trotz intensiver Forschung sind die Behandlungsmöglichkeiten für chronische diabetische Wunden bislang begrenzt. Wachstumsfaktoren und Zelltherapien wurden vielfach getestet, doch Probleme wie hohe Kosten, Sicherheitsbedenken und mangelnde Alltagstauglichkeit verhindern den breiten Einsatz. Mesenchymale Stammzellen zeigten zwar Potenzial, doch die praktische Umsetzung bleibt schwierig. In der klinischen Realität bedeutet jede Verzögerung der Wundheilung ein erhöhtes Risiko für Amputationen und eine massive Einschränkung der Lebensqualität. Ein anschauliches Beispiel: Trotz intensiver medizinischer Betreuung entwickelte ein 67-jähriger Patient mit langjährigem Typ-2-Diabetes ein chronisches Fußulkus an der lateralen Fußkante. Die Wunde wurde mit modernen Verbänden, regelmäßigen Débridements und Antibiotikatherapie behandelt. Wegen einer ausgeprägten peripheren Neuropathie bemerkte der Patient die Wunde erst spät, sodass bereits eine lokale Infektion bestand. Die Durchblutung war durch diabetische Angiopathie zusätzlich eingeschränkt. Trotz aller Maßnahmen heilte die Wunde über Monate nicht, sondern verschlechterte sich. Es kam zu Nekrosen, und verschiedene Wundauflagen, Druckentlastung und lokale Therapien blieben erfolglos. Schließlich musste eine partielle Amputation des Vorfußes erfolgen, um die Ausbreitung der Infektion zu verhindern. Dieses Beispiel zeigt, wie schwierig die Behandlung chronischer diabetischer Fußwunden ist und wie dringend innovative Therapieansätze benötigt werden.

Panthenolcitrat-Hydrogel: Hightech-Lösung für die Wundheilung

Panthenolcitrat, ein Molekül aus Panthenol (Provitamin B5) und Zitronensäure, wurde speziell für die Behandlung chronischer Wunden entwickelt. In der Studie von Wang et al. wurde PC in ein thermoresponsives Hydrogel (PC-PPCN) eingebettet, das bei Raumtemperatur flüssig und bei Körpertemperatur fest wird. Diese Eigenschaft erleichtert die Anwendung im klinischen Alltag erheblich und ermöglicht ein schmerzfreies Entfernen. Das Hydrogel zeichnet sich durch eine Vielzahl positiver Effekte aus: Es wirkt antioxidativ, antibakteriell, entzündungshemmend und fördert die Regeneration des Gewebes. Besonders bemerkenswert ist, dass PC-PPCN nicht nur die Wundschließung beschleunigt, sondern auch die Qualität des neu gebildeten Gewebes verbessert. Mechanische und elektrische Tests zeigten, dass die behandelten Wunden eine Festigkeit und Funktionalität aufwiesen, die gesunder Haut sehr nahekommen.

Biologische Wirkmechanismen und Studienergebnisse

Die präklinischen Untersuchungen belegen die vielseitigen Wirkungen von PC und PC-PPCN. In Zellkultur- und Tiermodellen konnte gezeigt werden, dass diese Substanzen freie Radikale neutralisieren, die Lipidperoxidation hemmen und oxidativen Stress reduzieren. Sie wirken zudem wachstumsfördernd auf Hautzellen wie Fibroblasten und Keratinozyten und beschleunigen so die Wundschließung. In einem sogenannten Scratch-Assay heilten behandelte Zellkulturen deutlich schneller als Kontrollgruppen. Darüber hinaus fördert das Hydrogel die Bildung neuer Blutgefäße (Angiogenese) und die Wiederherstellung der Hautoberfläche (Re-Epithelialisierung). Nach 21 Tagen war das behandelte Gewebe vollständig verheilt, mit einer dichten Gefäßstruktur und erhöhter Expression von Differenzierungsmarkern. Gleichzeitig wurden Entzündungsmarker wie Interleukin-6 und TNF-α reduziert und das Gleichgewicht zwischen pro- und antiinflammatorischen Makrophagen verbessert. Ein weiterer Vorteil: Das Hydrogel kann durch seine Fluoreszenz unter UV-Licht auch zur Bildgebung genutzt werden.

Perspektiven für die klinische Praxis und Leitlinien-Empfehlungen

Die Studie zeigt, dass das PC-PPCN-Hydrogel eine vielversprechende Ergänzung für die Behandlung chronischer diabetischer Wunden darstellt. Es bietet Ärzt:innen eine einfach anzuwendende, biokompatible und multifunktionale Wundauflage, die die Heilung beschleunigt und Komplikationen reduziert. Die Autor:innen heben das Potenzial solcher Biomaterialien hervor, die Geweberegeneration effektiv zu fördern und so neue therapeutische Möglichkeiten zu eröffnen. Gleichzeitig unterstreichen die Leitlinien der American Diabetes Association die Notwendigkeit einer evidenzbasierten Wundversorgung: Neue Materialien und Therapien werden erst dann empfohlen, wenn ihre Wirksamkeit durch hochwertige klinische Studien am Menschen belegt ist. Damit zeigt sich, dass innovative Ansätze wie das PC-PPCN-Hydrogel zwar vielversprechend sind, ihr klinischer Nutzen jedoch noch durch weitere Forschung bestätigt werden muss.

Fazit

Diabetische Fußwunden bleiben eine große Herausforderung in der Medizin. Das neu entwickelte Panthenolcitrat-Hydrogel zeigt im präklinischen Setting vielversprechende Ergebnisse: Es beschleunigt die Heilung, verbessert die Gewebequalität und könnte das Risiko für Amputationen senken. Die Übertragung in die klinische Praxis erfordert jedoch weitere Studien am Menschen. Ärzt:innen und Patient:innen dürfen auf eine neue Ära der Wundversorgung hoffen – vorausgesetzt, die Innovationen werden konsequent in die Versorgung integriert.

Quellen:

Wang, Huifeng, et al. "Panthenol Citrate Biomaterials Accelerate Wound Healing and Restore Tissue Integrity." Advanced Healthcare Materials, 2023, https://doi.org/10.1002/adhm.202301683.

American Diabetes Association: "Standards of Care in Diabetes—2024." https://diabetesjournals.org/care/issue/47/Supplement_1 (abgerufen am 07.07.2025).

International Working Group on the Diabetic Foot: IWGDF Guidelines on the prevention and management of diabetic foot disease. Deutsche Übersetzung in Auftrag und Verantwortung der AG Fuß in der DDG, 2019. https://ag-fuss-ddg.de/fileadmin/user_upload/IWGDF-Guidelines-2019_Gesamt_german.Vers.2_20200625pdf.pdf (abgerufen am 07.07.2025)

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