Strahlentherapie bei Kopf-Hals-Tumoren: Wer bekommt schwere Nebenwirkungen?

MR-Linac-Strahlentherapiegerät. Ein Gerät zur Magnetresonanztomographie (MRT) und ein Linearbeschleuniger zur Krebsbehandlung
© Adobe Stock

Nicht alle mit Kopf-Hals-Tumoren (HNC) reagieren gleich auf Strahlentherapie. Während einige nur milde Nebenwirkungen entwickeln, kämpfen andere mit schweren Toxizitäten wie Mukositis, Dermatitis oder Dysphagie. Die bisherigen Vorhersagemodelle – basierend auf klinischen und dosimetrischen Parametern – reichen nicht aus, um diese Unterschiede zu erklären. Aber: Bestimmte Biomarker könnten die Lücke schließen.

Hoffnungsträger Biomarker – aber noch kein Standard

DNA-Varianten, Serumwerte oder Speichelproteine – zahlreiche Studien erforschen derzeit, welche Biomarker eine strahlenbedingte Toxizität voraussagen können. Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit fasst die bisherigen Erkenntnisse zusammen. Ziel ist es, Wegweiser für zukünftige Forschung und Impulse für die klinische Anwendung auszumachen. Noch ist die Realität ernüchternd, denn nur wenige Marker haben es in den Praxisalltag geschafft.

Was wurde analysiert?

Für die Übersichtsarbeit wurden über 2.500 Abstracts aus PubMed und EMBASE gesichtet. 69 Studien erfüllten die Kriterien: Mindestens zehn erwachsene HNC-Patient:innen, erhaltene Radiotherapie (RT) und dokumentierte Toxizitätsdaten.

Betrachtet wurden vier Haupttoxizitäten jeweils zum Therapieende:

  • Mukositis,
  • Dermatitis,
  • Xerostomie und
  • Dysphagie.

Die Marker mussten aus Blut, Speichel oder genomischer DNA stammen und die Ergebnisse wurden in „niedrige“ (< Grad 3) und „hohe“ (≥ Grad 3) Toxizität unterteilt. Bewertet wurde auch die Qualität der Studien, u.a. mit der QUIPS-Checkliste.

Die Zahlen: Viel versprochen, wenig gehalten?

Die analysierten Studien hatten im Median 81 Patient:innen, meist mit fortgeschrittenen Tumoren (84 %). Prospektive Designs überwogen mit knapp 64 %. Etwa ein Drittel der Patient:innen entwickelte schwere Nebenwirkungen und das meist frühzeitig. Fast alle Arbeiten konzentrierten sich auf Akuttoxizitäten (90 %), Spätfolgen blieben außen vor.

Die Klassifikation der Toxizitäten erfolgte meist nach CTCAE (42 %) oder RTOG (39 %) – auch hier fehlte Einheitlichkeit.

Die Top-Kandidaten: XRCC1 & Co.

Am häufigsten untersucht wurden sogenannte Single-Nucleotide Polymorphisms (SNPs). Besonders auffällig waren XRCC1, ABCC1 und GSTP1 – sie zeigten signifikante Zusammenhänge mit Mukositis und Dysphagie. Insgesamt konnten nur zehn SNPs aus fünf Studien als robust gelten. Marker wie Albumin oder Hämoglobin wurden immerhin in mehr als einer Studie repliziert.

Pfadanalyse: Fokus auf DNA-Reparatur und Endothelin

Eine g:Profiler-Analyse ergab eine Überrepräsentation von DNA-reparierenden und endothelinassoziierten Signalwegen. Auffällig: Viele klinisch relevante Variablen, wie TNM-Stadium oder HPV-/EBV-Status, wurden in den Studien nicht dokumentiert. Die Datenlage bleibt damit lückenhaft.

Qualitätsmängel: 60 % mit hohem Bias-Risiko

Ernüchternd: Über die Hälfte der Studien hatte ein hohes Verzerrungsrisiko. Nur 30 % wurden als methodisch solide eingestuft. Eine z-curve-Analyse zeigte zudem Anzeichen für Publikationsbias – mit mehr positiven Ergebnissen als statistisch zu erwarten wäre. Auch das erschwert die Übertragbarkeit in die Praxis.

Zwischen Forschungseifer und klinischer Realität

Trotz zahlreicher vielversprechender Marker fehlt es an externer Validierung und einheitlicher Methodik. RNA- oder gewebebasierte Analysen spielen kaum eine Rolle – häufig aus ethischen oder logistischen Gründen. Der Wildwuchs an Studien ohne Replikation erschwert es, robuste Prädiktoren zu identifizieren. Und bestehende Studienstandards wie STARD oder REMARK greifen in der onkologischen Strahlentherapie oft zu kurz.

Was bedeutet das für den klinischen Alltag?

Für die tägliche Praxis bleibt die Vorhersage strahleninduzierter Nebenwirkungen weiterhin unsicher. Biomarker wie XRCC1 oder ABCC1 sind zwar spannend, aber (noch) nicht praxisreif. Wer Patient:innen mit Kopf-Hals-Tumoren behandelt, sollte daher toxizitätsfördernde

Quellen:

Koch et al. (2025): Predictive biomarkers of radiotherapy- related dermatitis, xerostomia, mucositis and dysphagia in head and neck cancer: A systematic review. Radiotherapy and Oncology, DOI: 10.1016/j.radonc.2024.110689.

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